Neue Pflichten für Arbeitgeber ab 1. August 2022 – Umsetzung EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (2019/1152)

12. Juli 2022

Die Europäische Union (EU) hat eine neue Richtlinie über Arbeitsbedingungen (EU-Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen) erlassen. Arbeitgeber werden dadurch verpflichtet, den Arbeitnehmers weit mehr Informationen zum Arbeitsverhältnis zu geben als bisher. Arbeitgeber sollten daher ihre Arbeitsvertragsmuster für Neueinstellungen anpassen. Und bestehende Arbeitsverträge müssen auf Verlangen des Arbeitnehmers angepasst werden. Verstöße können nun mit Bußgeldern geahndet werden. 

Umsetzung der Richtlinie 

Die Mitteilung der wesentlichen Vertragsinhalte war auch vor der Umsetzung der Richtlinie im Nachweisgesetz (NachwG) vorgeschrieben. Verstöße spielten in der Praxis allerdings keine große Rolle.  

Auf die Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses haben Verstöße gegen das Nachweisgesetz zwar weiterhin keinen Einfluss. Verstöße gegen das Nachweisgesetz können nun aber als Ordnungswidrigkeit verfolgt und mit einer Geldbuße bis zu 2.000 EUR geahndet werden. Zudem kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bei voller Vergütung verweigern, bis ihm alle erforderlichen Informationen schriftlich vorliegen. Letztlich drohen dem Arbeitgeber in einem Arbeitsgerichtsprozess erhebliche Nachteile bei der Beweisführung bis hin zu einer Beweislastumkehr, wenn die Inhalte des Arbeitsverhältnisses nicht ausreichend dokumentiert sind und der Arbeitnehmer getroffene Vereinbarungen bestreitet. Der neu eingeführte Sanktionsmechanismus wird also mit erheblichen Auswirkungen in der Praxis verbunden sein.  

Informationspflichten aus dem NachwG 

Der Katalog an Nachweispflichten des Arbeitgebers aus § 2 NachwG wurde zudem um einige Punkte erweitert. Während ein Teil dieser verpflichtenden Regelungen bereits jetzt in aller Regel in Arbeitsvertragsmustern enthalten sind, gehen andere Regelungen über die bestehende Arbeitsvertragspraxis weit hinaus.  

Folgende Informationen müssen dem Arbeitnehmer nun zwingend im Arbeitsvertrag oder in einem zusätzlichen Dokument mitgeteilt werden: 

Kündigungsverfahren

Arbeitnehmer müssen zukünftig über das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage informiert werden. 

Die Angabe der jeweils gültigen Kündigungsfristen reicht für die Erfüllung der Nachweispflichten also nicht mehr aus. Es muss zudem auf die Frist zu Erhebung einer Kündigungsschutzklage hingewiesen werden. Inwieweit weitere Angaben zum Kündigungsverfahren erforderlich sind (Betriebsratsanhörung, Sonderkündigungsschutz etc.) ist noch unklar. Die Ausschlussfrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gilt aber weiterhin, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber gegen Informationspflichten verstoßen hat. 

Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts

Das Arbeitsentgelt ist aufgegliedert nach dem Grundgehalt, der Vergütung von Überstunden, Zuschlägen, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen usw. getrennt anzugeben. Zudem muss eine Regelung zur Fälligkeit und zur Art der Auszahlung getroffen werden.  

Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, muss der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers mitgeteilt werden, sofern nicht der Versorgungsträger selbst dazu verpflichtet ist, den Arbeitnehmer selbst zu informieren. 

Probezeit

Die Dauer der Probezeit muss zukünftig in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer des Arbeitsverhältnisses stehen. Konkrete Anhaltspunkte dazu, wie dieses angemessene Verhältnis festzulegen ist, enthält das NachwG nicht. Auswirkungen wird die Änderung insbesondere auf Zeitverträge haben; bei einem Jahresvertrag wird man nicht mehr einfach von einer sechsmonatigen Probezeit ausgehen können.   

Fortbildungen

Der Arbeitnehmer ist über Fortbildungen zu informieren, zu deren Besuch er gesetzlich, tarif- oder dienstvertraglich verpflichtet ist. Die Kosten für diese Fortbildungen dürfen nicht dem Arbeitnehmer auferlegt werden.

Arbeitszeit

Neben der grundsätzlich geschuldeten Arbeitszeit müssen dem Arbeitnehmer zukünftig Informationen zu Ruhepausen, dem Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen, sowie Regelungen zu Voraussetzungen und Anordnung von Überstunden mitgeteilt werden. 

Arbeit auf Abruf 

Bei einem Arbeitsverhältnis mit Arbeit auf Abruf muss eine ausdrückliche Vereinbarung aufgenommen werden, dass die Arbeitsleistung entsprechend dem jeweiligen Arbeitsanfall zu erbringen ist. Zudem muss die Anzahl der mindestens zu vergütenden Stunden, sowie die wöchentliche und tägliche Arbeitszeit festgelegt sein. Zudem muss ein fester Zeitrahmen für die Arbeitsleistung festgelegt werden, also an welchem Tagen und zu welchen Uhrzeiten der Arbeitsabruf erfolgen kann. Letztlich ist eine Frist anzugeben, innerhalb derer der Arbeitgeber den Arbeitsabruf und die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat.  

Befristete Arbeitsverhältnisse

Der Übergang von befristeten auf unbefristete Arbeitsverhältnisse soll erleichtert werden. Tritt ein Arbeitnehmer mit einem Zeitvertrag, dessen Arbeitsverhältnis seit mindestens sechs Monaten besteht, an den Arbeitgeber mit dem Wunsch heran, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abzuschließen, hat der Arbeitgeber hierauf innerhalb eines Monats eine begründete Antwort in Textform zu geben. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der letzten zwölf Monate bereits einen entsprechenden Wunsch gegenüber dem Arbeitgeber geäußert hat. Inhalt und Umfang dieser Begründungspflicht sind nicht geregelt. Auch hier wird sich zunächst eine Linie in der Rechtsprechung herausbilden müssen.  

Arbeitnehmerüberlassung

Auch für die Arbeitnehmerüberlassung sieht die Umsetzung der Richtlinie eine Änderung vor. Dem Arbeitnehmer muss vor der Entsendung Name und Anschrift der jeweiligen Firma in Textform mitgeteilt werden.  

Zudem trifft den Entleiher im Verhältnis zu Leiharbeitnehmern, die eine Übernahme durch den Entleiher anstreben, eine zusätzliche Informationspflicht.   Will der Leiharbeitnehmer mit dem Entleiher einen Arbeitsvertrag schließen, muss der Entleiher hierauf innerhalb eines Monats begründet antworten, sofern der betreffende Arbeitnehmer mindestens sechs Monate beim Entleiher beschäftigt ist und den Wunsch nach Übernahme nicht in den letzten zwölf Monaten bereits angezeigt hat. Inhalt und Umfang dieser Begründungspflicht sind nicht geregelt. Auch hier wird sich zunächst eine Linie in der Rechtsprechung herausbilden müssen.  

Weitere mit der Gesetzesänderung verbundene Pflichten

Obwohl die Richtlinie die Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung eröffnet, müssen die erforderlichen Informationen unter dem NachwG weiterhin in Papierform und vom Arbeitgeber eigenhändig unterzeichnet ausgehändigt werden.  

Die Niederschrift der Kerninformationen (Anschrift, Arbeitsentgelt, Arbeitszeit usw.) muss dem Arbeitnehmer bereits am ersten Arbeitstag vorliegen. Alle weiteren Informationen sind innerhalb von sieben Tagen ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung zu stellen. Ändern sich Vertragsbedingungen, muss die Information am Tag des Wirksamwerdens der Änderungen vorliegen. Eine verweisende Bezugnahme auf Tarifverträge – anders als ein Verweis auf gesetzliche Regelungen – bleibt allerdings zulässig.  

Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen müssen innerhalb von sieben Kalendertagen ab Anforderung durch den Arbeitnehmer die Kerninformationen zum Arbeitsverhältnis bereitgestellt werden. Informationen über den Urlaub, die betriebliche Altersversorgung, die Pflichtfortbildung, das Kündigungsverfahren und geltende kollektivarbeitsrechtliche Vereinbarungen müssen spätestens innerhalb eines Monats bereitgestellt werden. Es bietet sich aber an, die Informationen in einem Dokument zusammenzufassen und dem Arbeitnehmer gesammelt auszuhändigen. 

Unklar ist die erforderliche Ausgestaltung der auszuhändigenden Informationen, beispielsweise bei der Darstellung einzuhaltender Verfahren. Die Bundesregierung hat bislang auf die Erstellung eines Mustertextes verzichtet, so dass eine Bewertung erst im Laufe der Zeit durch die Gerichte erfolgen wird. Daher ist es ratsam, bis zur Herausbildung einer Rechtsprechungslinie, Informationen zunächst umfassend zu erteilen. 

Gern beantworten wir Ihnen alle Fragen zur Umsetzung der Änderung des Nachweisgesetzes, unterstützen Sie bei der Anpassung Ihrer Arbeitsvertragsmuster oder entwickeln einen Informationsbogen zur Information Ihrer Arbeitnehmer.