Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich mit Schreiben vom 13.12.2022 zur Umsatzbesteuerung von Fertigarzneimittelabgaben an ambulant behandelte Patienten eines Krankenhauses geäußert.
Für Krankenhausträger folgt aus dem Schreiben unmittelbarer Handlungsbedarf, da diese Fertigarzneimittelabgaben ab dem 01.01.2023 als umsatzsteuerfrei Leistungen abzurechnen sind; Abrechnugnszentren sind dementsprechend zu instruieren. Gleichzeitig sind noch nicht bestandskräftige Umsatzsteuerbescheide offenzuhalten und gegebenenfalls Verträge nach § 129a SGB V zu überprüfen. Letztendlich werden die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 13.12.2022 im Rahmen von Kostenträgerstreitigkeiten zu berücksichtigen sein.
Inhalte des BMF-Schreibens
Ab dem 01.01.2023 sieht die Finanzverwaltung die Abgabe von Fertigarzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses als einen mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatz an, wenn die Medikamentengabe aus medizinischen Gründen zum Erreichen der therapeutischen Ziele unentbehrlich ist. Nach § 4 Nr. 14b UStG sind diese Leistungen damit als umsatzsteuerfrei zu behandeln.
Dies soll auch für Begleitmedikamente, die beispielsweise Nebenwirkungen eines Medikaments verringern, gelten. Zudem kann die Abgabe von Fertigarzneimitteln als unselbstständige Nebenleistung einer Heilbehandlung umsatzsteuerfrei sein, wenn die Heilbehandlung ohne die Medikamentengabe nicht erfolgversprechend wäre, zum Beispiel bei schmerzstillenden oder entzündungshemmenden Medikamenten. Auch hierbei ist die ärztliche Entscheidung für den Erfolg und die Notwendigkeit der konkreten Behandlung maßgebend.
Die Grundsätze des Schreibens vom 13.12.2022 werden auf alle offenen Fälle angewendet. Für Umsätze, die vor dem 01.01.2023 erzielt wurden, wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn diese als umsatzsteuerpflichtig behandelt werden. In allen offenen Fällen ist innerhalb des Zweckbetriebs eines Krankenhauses nach § 67 AO für die Abgabe von Fertigarzneimitteln an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UstG anzuwenden. Unter den Voraussetzungen des § 15 UstG verbleibt es für die damit zusammenhängenden Eingangsleistungen beim Vorsteuerabzug. Diese Regelung kann sich für manchen Krankenhausträger als wirtschaftlich vorteilhaft herausstellen, da nur eine Berichtigung des Umsatzsteuersatzes auf sieben Prozent erforderlich wird, eine Korrektur von nachträglich entfallenden Vorsteuerbeträgen, wie dies bei den patientenindividuellen Zubereitungen notwendig gewesen ist, entfällt.
Für die Zeit ab dem 01.01.2023 entfällt für die Eingangsleistungen der Vorsteuerabzug. Sofern in dem jeweiligen Vertrag nach § 129a SGB V keine Ausgleichsregelung vorgesehen, bedeutet dies einen wirtschaftlichen Nachteil für die Krankenhausträger. Darüber hinaus droht ein administrativer Abgrenzungsaufwand im Zusammenhang mit der Frage nach der medizinischen Notwendigkeit der Arzneimittelabgabe im konkreten Behandlungsfall.
Bei privat krankenversicherten Patienten, bei denen die Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent gesondert ausgewiesen wurde, wäre nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG grundsätzlich die Korrektur jeder einzelnen Rechnung erforderlich. Zur Berichtigung des Steuerbetrags lässt das BMF allerdings ein vereinfachtes Verfahren zu:
Wenn eine private Krankenversicherung die Rechnung mit unrichtig ausgewiesener Umsatzsteuer erstattet hat, kann sie die überzahlte Umsatzsteuer zurückverlangen. Die Ansprüche von Patienten gehen nach §§ 86, 194 Abs. 2 VVG auf die private Krankenversicherung über.
Kommt es zu einem zivilrechtlichen Vergleich zwischen Krankenhaus und privater Krankenversicherung, kann dieser wie eine Rechnungskorrektur im Sinne von § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG behandelt werden, wenn die jeweiligen Rechnungen, die dem Vergleich zugrunde liegen, in diesem eindeutig beziffert werden (z.B. als tabellarische Anlage).
Das Berichtigungsvolumen ist auf den Anspruch der privaten Krankenversicherung beschränkt. Soweit nur eine anteilige Kostenerstattung an den Patienten erfolgte, kann dementsprechend auch nur ein anteiliger Betrag der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer berichtigt werden.
Die Zahlung des Vergleichsbetrags ist weitere Voraussetzung für eine umsatzsteuerliche Berücksichtigung eines solchen Vergleichs zur vereinfachten Berichtigung des Steuerbetrags.
Mit Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 13.12.2022 ist das Hin und Her um die richtige Umsatzbesteuerung der Abgabe von Fertigarzneimitteln an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses nur vorläufig beendet, da es sich lediglich um eine verwaltungsinterne Anweisung handelt, wie diese Sachverhalte künftig von den Finanzbehörden zu behandeln sind. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit sich zu diesem Thema positioniert.
Angesicht der enormen wirtschaftlichen Bedeutung – es werden in Krankenhäuser jährlich rd. EUR 7,5 Mrd. mit Fertigarzneimitteln umgesetzt – verwundert es, dass die Finanzverwaltung versucht, das Problem über eine reine Verwaltungsanweisung zu beheben. Es wäre wohl hilfreicher gewesen, an dieser Stelle eine klärende gesetzliche Regelung zu schaffen.
Bisherige finanz- und sozialgerichtliche Rechtsprechung
Das Finanzgericht Dessau-Roßlau hatte im Oktober 2021 entschieden, dass die Verabreichung von Fertigarzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke im Rahmen einer ambulanten Krankenhausbehandlung einen steuerfreien, mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatz darstellt, falls die Verabreichung nach der ärztlichen Entscheidung zur Erreichung der therapeutischen Ziele "unerlässlich" sei. Nach Auffassung des Finanzgerichts solle die Steuerfreiheit nach § 14 Nr. 14b UstG auch dann gelten, wenn die Verabreichung durch ermächtigte Ärzte des Krankenhauses erfolge. Gegen diese Entscheidung wurden keine Rechtsmittel eingelegt, so dass nicht mit einer baldigen Klärung durch den Bundesfinanzhof (BFH) gerechnet werden kann.
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich ebenfalls bereits im Jahr 2021 mit der genannten Thematik beschäftigt. Die Entscheidung betraf den Streit zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Krankenhausträger über die Rückforderung gezahlter Umsatzsteuern auf Fertigarzneimittelabgaben, an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses.
Das BSG hatte damals sinngemäß entschieden, dass ein Rückforderungsanspruch der Krankenkasse nur dann in Betracht käme, wenn die Steuerverwaltung ihre Rechtsauffassung zur zunächst bejahten Umsatzsteuerpflicht von erbrachten Leistungen des Krankenhausträgers mit Wirkung für die Vergangenheit ändere und der Krankenhausträger ohne Prozess einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs 2 AO) gegen das Finanzamt wegen bereits gezahlter Umsatzsteuern einfach und risikolos durchsetzen könne.
Eine Nebenpflicht, die endgültige Festsetzung der Umsatzsteuer durch Sicherungsmaßnahmen zu verhindern, habe der Krankenhausträger im entschiedenen Fall nicht verletzt. Denn es existiere nicht einmal ein Urteil eines Finanzgerichts, das die Umsatzsteuerpflicht, bezogen auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt der Abgabe von Fertigarzneimitteln durch Krankenhausapotheken, verneint oder den ermäßigten Umsatzsteuersatz für maßgeblich angesehen hätte. Eine die bisherige Praxis der Steuerverwaltung als rechtswidrig beurteilende Finanzgerichts-Rechtsprechung sei aber Mindestvoraussetzung für die Pflicht eines Krankenhauses, Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche gegen die Steuerverwaltung offenzuhalten.
Diese Prämissen haben sich nun womöglich geändert…
Fazit und Ausblick
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Regelung des BMF-Schreibens nicht zur Rechtssicherheit beiträgt. Es geht in seiner Wirkung nicht über eine verwaltungsinterne Auslegungsregelung hinaus. Auf die weiterhin bestehenden rechtlichen Unsicherheiten sollten sich die Krankenhausträger aktiv vorbereiten. Schließlich tragen offene Fragen im Rahmen der Umsatzbesteuerung immer dazu bei, dass sich etwaige Fehler zu existenzbedrohenden Schäden skalieren können. Dies gilt insbesondere für die Krankenhausträger, welche sich bei diesem Thema im Spannungsfeld zwischen den Interessen der Finanzverwaltung und der Kostenträger befinden. Für Krankenhausträger ergeben sich nun notwendige Konsequenzen aus dem BMF-Schreiben:
Noch nicht bestandskräftige Steuerbescheide sind offenzuhalten und es ist zu prüfen, ob die Arzneimittelabgaben ertragssteuerlich dem Zweckbetrieb zuzuordnen sind.
Ab dem 01.01.2023 sind Fertigarzneimittelabgaben an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses als umsatzsteuerfreie Leistungen abzurechnen. Gleichwohl sind die zukünftigen Veranlagungszeiträume diesbezüglich offenzuhalten, da eine zukünftige Korrektur durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung nicht ausgeschlossen werden kann.
Es empfiehlt sich zudem, in diesem Zusammenhang die vertraglichen Grundlagen nach § 129a SGB V zu überprüfen und Regelungen zu finden, die den zukünftig entfallenden Vorsteuerabzug ausgleichen.
Weitere Konsequenzen können sich aus dem BMF-Schreiben für anhängige Gerichtsverfahren ergeben, in denen Kostenträger die Rückzahlung erstatteter Umsatzsteuerbeträge von Krankenhausträgern verlangen. Hier gilt es, bei etwaigen Vergleichsverhandlungen zukünftige (evtl. rückwirkende) Änderungen der Rechtslage zu bedenken und Vergleichsklauseln entsprechend zu formulieren.
An dieser komplexen Schnittstelle zwischen Umsatzsteuerrecht und Medizinrecht steht SKALING Ihnen für Ihre Fragen gern zur Verfügung.