Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist allerdings an weitere Voraussetzungen geknüpft: Sie gilt nur noch für solche Unternehmen, für die im Zeitraum zwischen dem 1. November 2020 und dem 31. Dezember 2020 ein Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt wurde (sog. „November- bzw. Dezemberhilfen“). Dies mag für betroffene Unternehmen und Geschäftsleiter zunächst eine gute Nachricht sein – je länger die mit der Pandemie einhergehenden Einschränkungen und wirtschaftlichen Belastungen aber andauern, desto stärker wächst aber auch die Gefahr haftungs- und insolvenzrechtlicher Konsequenzen.
Denn weiterhin gilt die Aussetzung der Antragspflicht nur dann, wenn ein Insolvenzgrund nicht bereits vor Beginn der Corona-Krise bestand. Geschäftsführer und Vorstände sollten daher kein Risiko eingehen und die Zahlungsfähigkeit ihres Unternehmens und die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells bezogen auf das Ende des Jahres 2019 nachweisen können.
Zudem ist zu beachten, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht keine Auswirkungen auf die weiteren insolvenzbezogenen Pflichten von Geschäftsleitern hat. So ist insbesondere das Verbot von Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nach Insolvenzreife nicht ausgesetzt - (vgl. für Zahlungen in 2020 § 64 Satz 1 GmbHG, §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, §§ 99 Satz 1, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG, §§ 161 Abs. 2, 130a HGB; für Zahlungen ab 2021 vgl. § 15b InsO).
Und die Hürden für einen Ersatzanspruch sind vergleichsweise niedrig, weshalb Insolvenzverwalter die Inanspruchnahme des Geschäftsleiters regelmäßig genau prüfen. Die Haftung auf Erstattung verbotener Zahlungen hängt beispielsweise nicht davon ab, ob durch die betreffende Zahlung ein Schaden entstanden ist oder ob diese gläubigerbenachteiligende Wirkung hat. Schon die Einziehung einer Zahlung auf ein debitorisch (im Minus) geführtes Konto des Schuldners unterfällt dem Zahlungsverbot und löst die Geschäftsleiterhaftung aus (BGH, Urteil vom 11. Februar 2020, II ZR 427/18). Denn in diesem Fall wird einseitig die Bank zulasten der anderen Gläubiger insoweit bevorteilt, als die Bank mit ihrer Forderung auf Ausgleich der Überziehung befreit wird.
Zwar setzen auch entgegen dem Zahlungsverbot geleistete Zahlungen ein Verschulden des Geschäftsleiters voraus; dies wird allerdings vermutet, wenn die Insolvenzreife für den Geschäftsleiter erkennbar war (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007, II ZR 48/06).
Die Haftung entfällt nur dann, wenn der Geschäftsleiter nachweist, dass die betreffende Zahlung auch nach Eintritt der Insolvenzreife mit „der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar“ war oder die Masseschmälerung durch eine Gegenleistung im unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang (also beispielsweise die Lieferung einer Sache) ausgeglichen wird (BGH, Urteil vom 18.11.2014, II ZR 231/13). Die Anfechtbarkeit der Zahlung hilft dem Geschäftsleiter dagegen nicht, sofern der Insolvenzverwalter die Anfechtung nicht tatsächlich erfolgreich durchführt und so die verbotene Zahlung rückgängig gemacht wird.
Geschäftsleiter sollten es daher auch während der Suspendierung der Insolvenzantragspflicht vermeiden, verbotene Zahlungen zu leisten und im Zweifel rechtlichen Rat einholen. SKALING berät Geschäftsleiter zu allen insolvenzrechtlichen Fragen oder bei der Haftungsabwehr, falls Ansprüche durch den Insolvenzverwalter gerichtlich oder außergerichtlich verfolgt werden.