Gestaltung von Venture-Capital-Beteiligungsverträgen - Liquidationspräferenzen

13. Januar 2023

In Venture-Capital-Beteiligungsverträgen zwischen Gründern und Investoren sind sogenannte Liquidationspräferenzen (liquidation preferences) aus Investorensicht ein wichtiges Instrument. Denn ohne sie kann ein Investor bei schlechten aber auch mittleren Exiterlösen deutlich draufzahlen. Auf der anderen Seite können zu weit gehende Liquidationspräferenzen dazu führen, dass die Gründer bei immer noch recht guten Exiterlösen unangemessen wenig oder gar kein Geld erhalten. Richtig gestaltet sollte ein Venture-Capital-Beteiligungsvertrag das finanzielle Risiko des Investors durch entsprechende Chancen auf der upside sichern, ohne dabei die Gründer letztlich mit leeren Händen dastehen zu lassen. Das würde die Motivation der Gründer deutlich zurückfahren, was erfahrene Investoren ebenso vermeiden wollen. Hier gilt es einen ausgewogenen Mittelweg zu verhandeln und gestalten.

Als Kanzlei, die sowohl Gründer als auch Investoren in gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen zur Seite steht, möchten wir Ihnen an dieser Stelle einen verständlichen Einblick in die nicht ganz unkomplizierte Materie geben: Was sind Liquidationspräferenzen? Welche verschiedenen Arten von Liquidationspräferenzen gibt es? Und wie gelingt es, die berechtigten Interessen beider Seiten zu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen?

Die Ausgangssituation ist meist folgende: Die Gründer holen sich zur Finanzierung des Unternehmens einen Investor an Bord. Dieser erhält durch den Gesellschaftsvertrag (bei der GmbH und AG auch Satzung genannt) Anteile am Unternehmen. Neben dem im Handelsregister öffentlich einsehbaren Gesellschaftsvertrag wird dabei meist noch ein vertraulicher Vertrag über die Bedingungen der Beteiligung geschlossen, der sog. Beteiligungsvertrag (Investment Agreement), in dem Einzelheiten des Investments, wie Aufgeldverpflichtung, Verwässerungsschutz und Garantien geregelt werden, oft auch die Liquidationspräferenz. Das allgemeine Rechtsverhältnis aller Gesellschafter zueinander wird neben der Satzung meist zusätzlich in einer Gesellschaftervereinbarung (Shareholders Agreement (SHA)) geregelt, wo sich Themen wie Vesting, Zustimmungskataloge oder Wettbewerbsverbote finden, also eher die Pflichten der Gründer bzw. operativ tätigen Gesellschafter. Die Regelungsorte sind aber nur mit Blick auf bestimmte Satzungsgestände zwingend, so dass sie genauso wie die Begrifflichkeiten teilweise variieren. Liquidationspräferenzen finden sich im Beteiligungsvertrag oder in der Gesellschaftervereinbarung.  

Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel: Es gibt zwei Gründer einer GmbH (G1 und G2), die jeweils 12.500 Geschäftsanteile zu je 1,- € halten. Die GmbH wächst und braucht frisches Kapital. Deshalb soll der finanzstarke Investor (I) in die Gesellschaft aufgenommen werden. I investiert 1 Mio. €, wovon 993.750 € in die freie Kapitalrücklage (sog. Aufgeld oder Agio) des Unternehmens fließen, während mit den restlichen 6.250 € das Stammkapital auf 31.250 € erhöht wird. Danach hält I ein Fünftel (20 %) der Geschäftsanteile. Die Gründer bringen natürlich die Geschäftsidee, das Knowhow und ihren Arbeitseinsatz ein, dennoch trägt I das finanzielle Hauptrisiko des Unternehmens. Im Falle des Unternehmensverkaufs z.B. zu einem Preis von 2 Mio. € dann sähe die Verkaufspreisverteilung ohne zusätzliche Regelung wie folgt aus: G1 und G2 bekämen aufgrund ihrer Geschäftsanteile jeweils 40% des Erlöses (800.000 €), I hingegen nur 20% (400.000 €). Damit ist weder das Investment des I gedeckt, noch konnte I eine Rendite realisieren.

Was sind Liquidationspräferenzen?

Gerade bei nur schwachem Wachstum oder sog. downrounds ergibt sich für den Investor also ein unattraktives Ergebnis. Mit der Vereinbarung von Liquidationspräferenzen kann ein solches Szenario verhindert und das verständliche Interesse des Investors geschützt werden. Im Falle des oft angestrebten Unternehmensverkaufes (sog. Exit) wird dadurch geregelt, dass der Investor bei der Verteilung des Vertragserlöses vorrangig seinen Investitionsbetrag ausgezahlt bekommt, bevor der verbliebene Betrag nach den Beteiligungsverhältnissen verteilt wird. Die Liquidationspräferenz hat somit zur Folge, dass die finanziellen Beiträge des Investors gegenüber den nicht-monetären Beiträgen der Gründer im Exit- oder Liquidationsfall rechnerisch stärker gewichtet werden. Bei der Ausgestaltung gibt es jedoch viele Varianten, etwa die Frage ob die Liquidationspräferenzen anrechenbar sein sollen oder gar eine gewisse Mindestrendite mitabgesichert werden soll.

Der Unterschied zwischen partizipierende und nicht-partizipierende Liquidationspräferenzen

Im Ausgangsfall würde das Ergebnis mit einer anrechenbaren (non-participating) Liquidationspräferenz folgendermaßen aussehen: Im Fall des Exit ist an I in einer ersten Stufe vorrangig sein Investment in Höhe von 1 Mio. € auszuzahlen. In der zweiten Stufe wird dann der restliche Erlös nach den Beteiligungsverhältnissen aufgeteilt, wobei die vorausgezahlte Summe an I aus Stufe 1 diesem auf seinen Anteil angerechnet wird. Vereinfacht gesagt soll I also das Höhere von entweder Vorzugsbetrag und oder seinem anteiligen pro-rata-Erlös erhalten. Bei einem Verkaufswert von bespielweise 2 Mio. € würde I zunächst seinen investierten Betrag von 1 Mio. € erhalten. Die weiteren 1 Mio. € wären nach den o.g. Beteiligungsverhältnissen zu verteilen. Da I jedoch seine Vorauszahlung anzurechnen ist und I bereits mehr als 20 % des Exiterlöses erhalten hat, bekommt I in diesem Fall in der zweiten Stufe nichts mehr. Damit wäre das Investment des I zwar abgedeckt, aber er hätte keine Rendite realisieren können. Eine Rendite hätte er in diesem Fall erst realisieren können, wenn der Verkaufswert bei über 5 Mio. läge. Mit der anrechenbaren (non-participating) Liquidationspräferenz wird also je nach Sichtweise nur oder immerhin das Risiko eines Verkaufs des Start-ups „unter Wert″ (down-side) abgesichert und deswegen auch als Down-side-protection bezeichnet.

Für den Investor günstiger ist die Vereinbarung einer nicht-anrechenbaren (participating) Liquidationspräferenz. Im vorgenannten Fall hätte dies zur Folge, dass I im Fall des Exit wieder auf erster Stufe sein ursprüngliches Investment erhält und der restliche Erlös auf der zweiten Stufe entsprechend der Geschäftsanteile verteilt wird – diesmal jedoch unter Berücksichtigung des Investors und ohne dass die erste Verteilungsstufe angerechnet wird. Konkret bekäme I somit 1. Mio. € aus der ersten Stufe und 200.000 € entsprechend seiner Beteiligung von 20 % an der Gesellschaft aus der zweiten Stufe. G1 und G2 bekämen jeweils 400.000 €.

Einen Standard gibt es in der Praxis nicht, auch wenn manche Berater oder Parteien dies in Verhandlungen oft bemühen. Es hängt vielmehr an der Ausgangspositionen und ist natürlicher Gegenstand der Verhandlungen. Nach unserer Erfahrung ist die „anrechenbare″ Liquidationspräferenz als Kompromiss im Markt weit verbreitet. Sie sichert angemessen das Interesse des Investors gegen einen Exit unter dem Einstandswert, ohne die Gründer gleichzeitig zu demotivieren. Denn bei Exit-Erlösen über dem Einstandswert des Investors sind alle Gesellschafter zu gleichen Teilen (pro-rata) an den Erlösen beteiligt.

Renditegarantien

Daneben gibt es noch weitere Gestaltungsmöglichkeiten der Liquidationspräferenzen. Dazu gehören Renditegarantien. Diese sollen dem Investor eine gewisse Mindestrendite sichern, indem neben der bevorzugten Ausschüttung des Investmentbetrags zusätzlich eine festgelegte Rendite ausgezahlt wird. Dabei wird entweder ein Vielfaches (engl. multiple, z.B. 1,5x, 2x) auf das ursprüngliche Investment oder eine Verzinsung bis zum Exit zuzüglich zum Exit vereinbart. In beiden Fällen kann vereinbart werden, dass sich die Absicherung der Liquidationspräferenzen auch auf die Renditegarantien erstreckt.

Beispiel: Erweitert man den Ausgangsfall um eine partizipierenden Liquidationspräferenz mit einer Renditegarantie von jährlich 30%, dann führt das bei einem Exit nach drei Jahren zu folgendem Ergebnis: I erhält auf erster Stufe das Investment von 1 Mio. € plus 30% auf die 1 Mio. pro Jahr, also insgesamt 1.900.000 €. Bei einem Verkaufserlös von 2 Mio. € blieben dann noch 100.000 € auf der zweiten Stufe übrig, die zu verteilen sind. I bekäme auf der zweiten Stufe nochmals 20.000 € und G1 und G2 jeweils 40.000 €. Nach vier Jahren gingen die Gründer sogar leer aus. Renditegarantien sind daher aus Gründersicht sorgsam zu bedenken, um nicht am Ende ohne Erlös dazustehen. Dies zeigt, dass Liquidationspräferenzen zu einer Erlösverteilung führen können, die den Investor zu Lasten der Gründer erheblich bevorteilt.

Zusammenspiel mit Drag along Klauseln

Ein weiteres Instrument, das die Interessen des Investors schützen kann ist eine Mitverkaufsverpflichtung, die sog. Drag-Along-Klausel. Eine solche Klausel führt dazu, dass ein oder mehrere Gesellschafter, die zusammen eine Mehrheitsbeteiligung halten, die anderen Mitgesellschafter dazu zwingen können, deren Anteile zu verkaufen, wenn die Mehrheitseigner ihre eigenen Anteile verkaufen wollen. Bei diesem erzwungenen Verkauf kann einen Liquidationspräferenz naturgemäß auch Wirkungen entfalten, die es bei der Gestaltung des Beteiligungsvertrags zu berücksichtigen gilt.

Hätte I in einer Abwandlung des Ausgangsfalles die Mehrheit der Geschäftsanteile der GmbH erhalten und hätte er zu seinen Gunsten eine Drag-Along-Klausel durchgesetzt, so könnte er gegen den Willen von G1 und G2 einen Verkauf der GmbH durchsetzen. Damit könnte I einen Verkauf erzwingen, sobald der Wert des Unternehmens seine Investition plus Rendite deckt. Für den Investor bringt das den enormen Vorteil, dass er das investierte Geld kurzfristig wieder freisetzen kann, sobald ihm die garantierte und aktuell erzielbare Mindestrendite ausreicht. G1 und G 2 wiederum stünden mit leeren Händen da, weil auf der zweiten Stufe nichts mehr von dem Exit-Erlös übriggeblieben ist. Bei der Vereinbarung einer Drag-Along-Klausel in Verbindung mit einer Liquidationspräferenz sollte aus Sicht der Gründer daher stets darauf geachtet werden, dass diese beiden Bestimmungen zueinander in Beziehung gesetzt werden, d.h. dass z.B. das Recht zum drag-along erst ab einer bestimmten Höhe (floor) des Exit-Erlöses gestattet ist.

Reichweite der Liquidationspräferenz

Weiterhin ist zu regeln, worauf sich die Liquidationspräferenz erstrecken soll. Nur auf den Exit i.S.e. Verkaufes aller Anteile oder – wie häufig vereinbart – bereits auf den Verkauf von mehr als 50 % der Anteile (change of control) des Start-ups an einen strategischen Käufer. Terminologisch geht es dann nicht um eine Liquidation, so dass der teilweise auch verwandte Begriff Erlöspräferenz an sich treffender ist.

Schließlich stellt sich die Frage, ob die Liquidationspräferenz neben dem Exit-Fall auch sonstige Ausschüttungen an Gesellschafter, also Dividenden, erfassen sollte. Diese Erstreckung ist aber eher selten, denn zumindest in der Frühphase sind nur die wenigsten Start-ups zu Dividenden fähig. Wenn solche Regelungen vereinbart werden, ist ihr Verhältnis zur eigentlichen (Exit-)Liquidationspräferenz genau abzustimmen. Denn eine „doppelte″ Präferenz des Investors (Double  Dipping) wird im Regelfall nicht gewollt sein.

Mehrere Finanzierungsrunden: Last in, first out

Typischerweise finanzieren sich Startups über eine Serie (Seed, Series A, B, C ….) von Finanzierungsrunden, so dass mehrmals Liquidationspräferenzen verhandelt und vereinbart werden. Hierzu hat sich im Venture Capital die Praxis entwickelt, die nach dem Prinzip „last in, first out″ funktioniert. Der letztinvestierende Investor (last in), soll der erste sein, der in einem Exit seinen Vorzugsbetrag erhält (first out). Danach käme die zuvor vereinbarte Liquidationspräferenz zur Anwendung usw. Letztlich zeigt das die typische Verhandlungsmacht des zuletzt investierenden Investors. Er ist schließlich zum Zeitpunkt der Verhandlungen anders als die anderen Gesellschafter bereit, Geld zu investieren.

Fazit

Für Investoren sind Liquidationspräferenzen ein wichtiges Instrument zur Absicherung der Chance als Ausgleich für das als Wagnis gegebene Kapital. Für Gründer wiederum kann die unbedachte Zustimmung zu Liquidationspräferenzen dazu führen, dass sie am Ende (weitestgehend) leer ausgehen. Durch die richtige Gestaltung der Liquidationspräferenzen lässt sich jedoch der Beteiligungsvertrag so gestalten, dass sowohl die Absicherungs- und Renditeinteressen des Investors als auch die Interessen der Gründer ausreichend berücksichtigt werden. Als Kanzlei, die sowohl Gründer als auch Investoren vertritt, stehen wir Ihnen gerne zur Seite, wenn Sie eine Beteiligung planen und fachlich fundierte Hilfe suchen.