Medizinrecht

Aktuelle Urteile zum Arztrecht

Auf dieser Seite finden Sie Gerichtsentscheidungen der letzten Jahre, die für die ärztliche Berufsausübung von Bedeutung sind, nach Themenkomplexen untergliedert. Die Entscheidungen sind insbesondere für alle niedergelassenen (Vertrags-)Ärzte, Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ relevant.

Die Übersicht wird regelmäßig aktualisiert. Einzelne Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Praxis werden ausführlich auf den jeweils verlinkten Seiten besprochen.

Bei Fragen zu einzelnen Entscheidungen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns direkt eine E-Mail.

Approbation & Zulassung

Sonderbedarfszulassung für Ärzte der spezialisierten fachärztlichen Versorgung

Bundessozialgericht - B 6 KA 2/20 R

Ärzten aus Arztgruppen, die in der Bedarfsplanung der spezialisierten fachärztlichen Versorgung zugeordnet sind, kann eine Sonderbedarfszulassung nur erteilt werden, wenn die Patienten Behandlungsangebote in anderen Praxen dieser Fachrichtung nicht innerhalb von 45 Minuten erreichen können. Zulassungsgremien sind durch datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht gehindert, zur Beurteilung eines Sonderbedarfs die Fallzahlen von konkurrierenden Praxen, die freie Kapazitäten angegeben haben, auch ohne deren Einverständnis über die Kassenärztliche Vereinigung zu ermitteln, wenn nach Auswertung aller anderen Umstände ein Sonderbedarf weder offensichtlich vorliegt noch offensichtlich ausscheidet.

Entziehung der Zulassung wegen Missachtung der Fortbildungspflicht

Bundessozialgericht - B 6 KA 42/20 B

Die Verletzung der Fortbildungspflicht innerhalb der gesetzten Frist von fünf Jahren und einer weiteren Nachfrist von zwei Jahren, rechtfertig die Entziehung der Zulassung.

Verhältnismäßigkeit einer Zulassungsentziehung nach Missachtung der Fortbildungspflicht

Sozialgericht München - S 28 KA 228/19

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Zulassungsentziehung kann der Umstand, dass die Entziehung zu einer Lücke in der vertragsärztlichen oder -psychotherapeutischen Versorgung führen könnte, keine Berücksichtigung finden.

Keine erneute Einreichung von Lebenslauf und Führungszeugnis durch hälftig zugelassenen Vertragsarzt

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 3 KA 16/19

Ein bereits hälftig zugelassener Vertragsarzt muss den Zulassungsgremien nicht erneut einen Lebenslauf bzw. ein Führungszeugnis vorlegen, wenn er sich um eine weitere hälftige Zulassung an einem anderen Vertragsarztsitz bewirbt. 2. Ein MVZ, das sich mit einem angestellten Arzt in einem Praxisnachfolge- oder Zulassungsverfahren bewerben will, kann diesen Arzt in die Warteliste eintragen lassen.

Dauerhafte Unterlassung der Abrechnung rechtfertigt Entzug der vertragsärztlichen Zulassung

Landessozialgericht Nordrhein-Westphalen - L 11 KA 32/19

Ein Vertragsarzt, der tatsächlich erbrachte Leistungen und Leistungsfälle nicht oder nicht vollständig abrechnet, verstößt gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung. Dies rechtfertigt eine Zulassungsentziehung wegen der gröblichen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten.

Zweigpraxisgenehmigung bei Sprechstundenausweitung

Sozialgericht Hamburg - S 3 KA 166/20

Das Angebot von Abend- und Wochenendsprechstunden kann eine quantitative Versorgungsverbesserung im Sinne von § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV begründen, die eine Genehmigung einer Zweigpraxis rechtfertigt.

Praxisvertretung während ehrenamtlicher Tätigkeit

Sozialgericht München - S 38 KA 125/19

Die Aufzählung der Vertretungsgründe in § 32 Ärzte-ZV ist nicht abschließend, es kommt aber nur eine restriktive Erweiterung der Vertretungsgründe in Betracht. Ein solcher rechtfertigender Vertretungsgrund ist anzunehmen, wenn es sich um eine rein ehrenamtliche Tätigkeit handelt, bei der finanzielle Interessen nicht im Vordergrund stehen.

Widerruf der Approbation wegen des unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof - 21 ZB 16.540

Der klagende Arzt hatte Gelder von Patienten angenommen und diese neben eigenem Vermögen in ein betrügerisches Anlagemodell investiert. Dadurch erbrachte er Bankgeschäfte, ohne die notwendige Erlaubnis der BaFin und wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Die Regierung von Oberbayern widerrief daraufhin die Approbation des Arztes wegen Unwürdigkeit. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte den Approbationswiderruf wegen des schwerwiegenden Fehlverhaltens, das geeignet war, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern.

Keine sofortige Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug

Sozialgericht München - S 28 KA 242/23 ER

Das Sozialgericht München hat in einem einstweiligen Rechtschutzverfahren entschieden, dass eine sofortige Zulassungsentziehung wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug und berufsrechtlicher Verstöße gegen Datenschutzvorschriften nur möglich ist, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht. Das Gericht hat keine konkreten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter durch die weitere Berufsausübung der betroffenen Ärztin bis zur Entscheidung der Hauptsache gesehen.

Vorrang einer Ruhensanordnung vor Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit

Bundessozialgericht - B 6 KA 5/22 R

In dem von der Klägerin betriebenen MVZ wurde über einen längeren Zeitraum hinweg keine vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt, die Laborräume standen seit einem halben Jahr leer. Nach Anhörung durch den Zulassungsausschuss beantragte die Klägerin eine Sitzverlegung. Daraufhin entzog der Zulassungsausschuss dem MVZ die Zulassung. Dies war unzulässig, da der Vorrang der Ruhensanordnung vor der Zulassungsentziehung nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Es fehlte an einer hinreichenden Prognoseentscheidung zur Aufnahme der Tätigkeit am neuen Standort innerhalb einer angemessenen Frist.

Qualifikationserfordernis für Sicherstellungsassistenten

Sozialgericht München - S 43 KA 98/22

Nach der Entscheidung des SG München soll nur die Approbation, nicht aber eine abgeschlossene Weiterbildung mit Anerkennung der gleichen Facharztbezeichnung notwendiges Qualifikationserfordernis für die Tätigkeit als Sicherstellungsassistentin gem. § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV sein. Die für Vertreter geltende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne nicht auf Sicherstellungsassistenten übertragen werden.

Räumliche Nähe ausgelagerter Praxisräume

Bundessozialgericht - B 6 KA 12/21 R

Ein Vertragsarzt darf spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz (ausgelagerte Praxisräume) erbringen, wenn er Ort und Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit seiner KV unverzüglich anzeigt. Die räumliche Nähe von ausgelagerten Praxisräumen zum Vertragsarztsitz ist gewahrt, wenn der Vertragsarzt den Vertragsarztsitz innerhalb eines Zeitraums von maximal 30 Minuten aufsuchen kann.

Ausgelagerte Praxisräume nur in maximal 30 km Entfernung vom Vertragsarztsitz zulässig

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 24 KA 6/18

Die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in ausgelagerten Praxisräumen setzt voraus, dass diese Räumlichkeiten auch in ländlichen Regionen maximal 30 km vom Vertragsarztsitz entfernt liegen. Das Erfordernis der räumlichen Nähe von ausgelagerten Praxisräume zu dem eigentlichen Vertragsarztsitz soll sicherstellen, dass ein Vertragsarzt seinen Patienten in Notfällen auch außerhalb der Sprechzeiten zeitnah zur Verfügung stehen kann

Praxisgründung & Praxisnachfolge

Nichtigkeit eines Kaufvertrags über einen Patientenstamm

Bundesgerichtshof - VIII ZR 362/19

Eine Zahnärztin (Beklagte) und ein designierter Praxisnachfolger (Kläger) hatten einen „Kaufvertrag über den Patientenstamm“ der Zahnarztpraxis geschlossen. Demnach sollte die Beklagte ihre Patienten an die Praxis des Klägers überleiten, indem sie Anrufe und Website-Aufrufe umleitet und die Patientenkartei an den Kläger überträgt. Außerdem sollte sie Patienten die Fortsetzung der Behandlung durch den Kläger empfehlen. Der BGH hat dieses als verbotene Zuweisung von Patienten gegen Entgelt gewertet. Die vereinbarten "Werbemaßnahmen" und die Übergabe der Patientenkartei stellten eine Verletzung dieses Verbots dar, so dass der Vertrag insgesamt nichtig war. Zudem kommt auch ein Verstoß gegen §§ 299a, b StGB in Betracht.

Individuelles Leistungsbudget bei Praxisneugründung

Bundessozialgericht - B 6 KA 22/22 R

Für eine neu gegründete Einzelpraxis mit angestellten Ärzten gelten die gleichen Regelungen zu Wachstumsmöglichkeiten in der Aufbauphase wie für neu gegründete Berufsausübungsgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren. In dem entschiedenen Fall war ein langjähriger Vertragsarzt aus einer BAG ausgeschieden und hatte eine Einzelpraxis mit einem Angestellten, der erstmals an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahm, gegründet. Nach der Entscheidung des BSG handelt es sich hierbei um eine Neugründung mit der Folge, dass zwar nicht für die von ihm selbst erbrachten, aber für die von seinem erstmals in der vertragsärztlichen Versorgung tätigen Angestellten erbrachten Leistungen ein individuelles Leistungsbudget mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugrunde zu legen war.

Frist zur Nachbesetzung einer Arztstelle

Sozialgericht München - S 38 KA 261/21

Eine gesetzliche Frist zur Nachbesetzung einer Arztstelle existiert nicht. Dennoch erfordern Bedarfsplanung und der Sinn und Zweck von § 103 Abs. 4a S. 5 SGB V eine zeitnahe Nachbesetzung nach dem Freiwerden einer Arztstelle. Nach der Ansicht des SG München ist eine Nachbesetzung innerhalb von sechs Monaten ab dem Freiwerden der Arztstelle zu fordern. Eine Verlängerung dieser Frist kommt nur auf Antrag und bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Eine Nachbesetzung mehr als ein Jahr nach dem Freiwerden der Arztstelle kommt nicht in Frage.

Ablehnung einer Nachbesetzung bei unterdurchschnittlicher Fallzahl

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 5 KA 3221/22

Wenn eine hausärztliche Praxis über fünf Quartale vor Praxisabgabe nur 18 Prozent der Fälle des Fachgruppendurchschnitts erreicht, fehlt es nach der Entscheidung des LSG an einer fortführungsfähigen Praxis. Der Antrag auf Nachbesetzung ist dann abzulehnen und ein Anspruch auf Entschädigung gegenüber der KV besteht nicht.

Keine fortführungsfähige Praxis bei geringen Fallzahlen

Sozialgericht Marburg - S 12 KA 77/21

Fehlt es an der Fortführungsfähigkeit einer Praxis aufgrund geringer Honorarumsätze und Fallzahlen, ist diese nicht zur Nachbesetzung auszuschreiben. Es ist unerheblich, ob der Vertragsarzt nie beabsichtigt hat, den Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen, oder ob äußere Umstände wie die Coronakrise einen Praxisaufbau verhindert haben. Maßgeblich für ein Nachbesetzungsverfahren ist allein der Umstand, ob objektiv ein nennenswertes Praxissubstrat vorliegt. Bei einem fehlenden Praxissubstrat kommt es auch nicht darauf an, ob der Planungsbereich erneut geöffnet bzw. teilentsperrt wird.

Anstellung & Mitarbeiter

Poolärzte im Bereitschaftsdienst sind nicht automatisch selbständig

Bundessozialgericht - B 12 R 9/21 R

Poolärzte, die am vertrags-(zahn)ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen, sind nicht automatisch selbstständig tätig, sondern abhängig beschäftigt und unterliegen damit der Sozialversicherungspflicht. Zu den Einzelheiten

Vertretungstätigkeit in Berufsausübungsgemeinschaft unterliegt der Sozialversicherungspflicht

Bundessozialgericht - B 12 R 1/21 R

Eine gastroenterologische Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und eine in einem Krankenhaus angestellte Oberärztin hatten vereinbart, dass die Oberärztin im Falle von Krankheit oder Urlaub die Praxisvertretung für einzelne Ärzte der BAG übernimmt. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die Oberärztin bei der Vertretungstätigkeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, weil sie in den Betriebsablauf der Praxis eingegliedert war, einem eingeschränkten Weisungsrecht der BAG unterlag und nicht in die Rechtsstellung einer Gesellschafterin der BAG eingetreten ist.

Zu den Einzelheiten

Sozialversicherungspflichtige Homeoffice-Tätigkeit für eine Ärztehotline

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.02.2023, L 2/12 BA 17/20

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat die ausschließliche Homeoffice-Tätigkeit einer Ärztin für eine Beratungshotline als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit beurteilt. Das Gericht hat den Umstand, dass die Ärztin von zu Hause aus arbeitete und flexible Arbeitszeiten hatte, aufgrund moderner Homeoffice-Möglichkeiten und frei gestaltbarer Arbeitszeiten, als unwesentlich angesehen.

Zu den Einzelheiten

Keine Anstellungsgenehmigung für die Tätigkeit im eigenen MVZ

Bundessozialgericht - B 6 KA 2/21 R

Wenn ein Vertragsarzt in einem gesperrten Planungsbereich auf seine Zulassung verzichtet, um in einem MVZ tätig zu werden, kann eine Anstellungsgenehmigung nur dann erteilt werden, wenn der Arzt in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dem MVZ stehen soll. Der Begriff der Anstellung im Sinne des § 103 Abs 4a SGB V schließt selbstständige Ärzte nicht ein. Grundsätzlich können Gesellschafter zugleich abhängig Beschäftigte "ihrer" Gesellschaft sein, aber nur wenn sie nicht die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen und damit die eigene Weisungsgebundenheit als Angestellte der Gesellschaft aufzuheben. In dem entschiedenen Fall waren zwei Vertragsärzte zu gleichen Teilen an der MVZ-Trägergesellschaft beteiligt und deren Geschäftsführer. Nach dem Gesellschaftsvertrag bedurften Beschlüsse der Gesellschaft Einstimmigkeit. Daher konnten beide Gesellschafter ihnen nicht genehme Beschlüsse und Weisungen immer verhindern, so dass die beantragte Anstellungsgenehmigung nicht zu erteilen war.

Anstellung von Ärzten im Sonderbedarf im Umfang eines Viertelversorgungsauftrags

Bundessozialgericht - B 6 KA 7/21 R

Ein Vertragsarzt kann nicht im Umfang von weniger als einem halben Versorgungsauftrag zugelassen werden. Für Anstellungsgenehmigungen im Wege des Sonderbedarfs kann hinsichtlich des abzudeckenden Versorgungsumfangs nichts anderes gelten. Besteht aber ein Sonderbedarf in diesem Mindestumfang, kann dieser auch durch mehrere Anstellungsgenehmigungen mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 gedeckt werden.

Honorar & Regress

Der Prüfantrag einer Kasse hemmt die Ausschlussfrist

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 7 KA 16/19

Der Prüfantrag der Krankenkassen hat eine die Ausschlussfrist hemmende Wirkung, wenn er innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren gestellt wurde und der Vertragsarzt von ihm Kenntnis erlangt. Die Kenntnisnahme des Vertragsarztes kann hierbei auch nach Ablauf der Ausschlussfrist erfolgen, solange dies unverzüglich („ohne schuldhaftes Zögern“) geschieht.

Anspruch auf individuelles Leistungsbudget bei Praxisneugründung nach Austritt aus einer Berufsausübungsgemeinschaft

Bundessozialgericht - B 6 KA 22/22 R

Für eine neu gegründete Einzelpraxis mit angestellten Ärzten gelten die gleichen Regelungen zu Wachstumsmöglichkeiten in der Aufbauphase wie für neu gegründete Berufsausübungsgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren. Genauso wie eine Arztpraxis nach der Neugründung einer BAG jedenfalls im Grundsatz als Aufbaupraxis anzusehen ist, muss dies beim Austritt eines Arztes aus einer fortbestehenden BAG und der Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit als Einzelarzt gelten, jedenfalls wenn der Arzt seine Tätigkeit an einem anderen Standort in neuen Praxisräumen fortführt.

Patienten haben Anspruch auf kostenfreie Kopie von Behandlungsunterlagen

Europäischer Gerichtshof - C-307/22

Patienten können von einem Arzt bzw. Krankenhaus verlangen, kostenfrei eine vollständige Kopie ihrer Patientenakte zu erhalten. Dieser Anspruch aus Art. 15 DSGVO geht dem Recht der Patienten auf eine kostenpflichtige Kopie der Behandlungsunterlagen nach § 630g Abs. 2 BGB vor.

Abrechenbarkeit von Kardio-MRT

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen- L 3 KA 29/19

Leistungen der Kardio-MRT können nicht nach der EBM-Gebührenordnungsposition 34430 abgerechnet werden, weil hierunter nur morphologische MRT-Untersuchungen fallen. Unabhängig hiervon steht der Abrechnung der Kardio-MRT als vertragsärztliche Leistung zurzeit entgegen, dass es sich hierbei um eine neue Untersuchungsmethode im Sinne von § 135 Abs 1 S 1 SGB V handelt.

Honorarkürzung wegen Nichtteilnahme an der Telematikinfrastruktur

Sozialgericht München - S 38 KA 5092/21

Die pauschale Kürzung der vertragsärztlichen Vergütung wegen der Nichtteilnahme an der Telematikinfrastruktur ist rechtmäßig. Die Vorschriften über die Telematikinfrastruktur (§§ 291 ff. SGB V) stehen mit höherrangigem Recht, der DSGVO und dem Grundgesetz (Art. 12, 2 GG) in Einklang. Ein Vertrags-(zahn)arzt, der sich entsprechend den gesetzlichen Regelungen an die Telematikinfrastruktur anschließt, verstößt nicht gegen die (zahn-)ärztliche Schweigepflicht aus § 203 StGB.

Abrechnung fachgebietsfremder Leistungen

Bayerisches Oberstes Landesgericht - 1 ZRR 40/20

Ein Arzt kann auch fachgebietsfremde Leistungen unter den Voraussetzungen der § 1 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Abs. 2 Satz 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen. Ein Facharzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie, ohne Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomografie, hatte im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit einem Krankenhaus MRT-Leistungen abgerechnet. Auf die Rückzahlungsklage einer Privaten Krankenversicherung hin, hat das Bayerische Oberste Landesgericht entschieden, dass ein Verstoß gegen das Beschränkungsgebot in Art. 34 Abs. 1 HKaG weder zur (Teil-)Nichtigkeit des Behandlungsvertrags führt noch einer Abrechnung der Leistung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 oder § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ entgegensteht (so auch OLG Frankfurt, 22 U 131/20).

Regress bei fehlender Anstellungsgenehmigung

Sozialgericht Marburg - S 17 KA 282/19

Die Verordnung von Arzneimitteln durch Ärzte, für deren Anstellung keine Genehmigung des Zulassungsausschusses vorliegt, ist unzulässig. Die Festsetzung des Regresses von mehr als 450.000,00 € war rechtmäßig. Eine Delegation von Leistungen an ärztliches Personal kommt im vertragsärztlichen Bereich nur in Betracht, wenn es sich um angestellte Ärzte oder Assistenten handelt, deren Beschäftigung von den Zulassungsgremien genehmigt worden ist. Ansonsten ist nicht gewährleistet, dass der Angestellte oder Assistent die beruflichen und sonstigen Voraussetzungen für eine Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung erfüllt. Ebenso bei der Beschäftigung nicht genehmigter Weiterbildungsassistenten: Bundessozialgericht, B 6 KA 16/21 B.

Regress nach Vernichtung und Neubeschaffung von Impfstoff nach einer Fehlkühlung

Bundessozialgericht - B 6 KA 14/21 R

In der Praxis der klagenden BAG kam es zu einer mehrstündigen Fehlkühlung von Impfstoffen wegen eines technischen Defekts. Die Impfstoffe wurden vernichtet und von der Klägerin neu beschafft und als Ersatz für den vernichteten Impfstoff verordnet. Die Prüfungsstelle setzte daraufhin einen Regress in Höhe der Nettoverordnungskosten des ersatzweise beschafften Impfstoffs fest. Nach der Entscheidung des BSG handelte es sich dabei um ein unwirtschaftliches Verordnungsverhalten. Zwar können technische Fehler eines Medikamentenkühlschrankes nie vollständig ausgeschlossen werden. Das Risiko eines Schadenseintritts kann der Arzt als Betreiber seiner Praxis aber in weitem Umfang beeinflussen, daher lag kein Fall von höherer Gewalt vor.

MVZ & BAG

Höchstzahl von Vorbereitungsassistenten im MVZ

Bundessozialgericht - B 6 KA 1/19 R

Die Höchstzahl der Vorbereitungsassistenten, die ein Medizinisches Versorgungszentrum zeitgleich in Vollzeit beschäftigen darf, richtet sich nach der Zahl der Versorgungsaufträge, die es zu erfüllen hat. Die für Einzelpraxen geltende Beschränkung auf die Beschäftigung von höchstens einem in Vollzeit tätigen Vorbereitungsassistenten gilt nicht unmittelbar für MVZ.

Nachrangregelung für MVZ gilt nicht im Auswahlverfahren bei partieller Entsperrung eines Planbereichs

Bundessozialgericht - B 6 KA 26/22 R

Die Nachrangregelung des § 103 Absatz 4c Satz 3 SGB V gilt nach ihrem Wortlaut allein für die Auswahl eines Praxisnachfolgers im Nachbesetzungsverfahren. Eine analoge Anwendung der Nachrangregelung auf Verfahren wegen partieller Entsperrung kommt nicht in Betracht, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

Bankbürgschaft ist keine Voraussetzung für Abschlagszahlungen an MVZ-GmbH

Bundessozialgericht - B 6 KA 10/21 R

Die KV Bayern hatte die Gewährung von Abschlagszahlungen an eine MVZ-Trägergesellschaft, deren Alleingesellschafterin eine GmbH war, davon abhängig gemacht, dass die Trägergesellschaft eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft in Höhe von fünf Abschlagszahlungen stellt. Das BSG hat entschieden, dass es sich hierbei um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung handelt, für die keine sachlichen Gründe bestehen.

Teilweise Übertragung von Gesellschaftsanteilen an einer MVZ-Trägergesellschaft

Sozialgericht München - S 38 KA 121/20

Das vollständige Ausscheiden eines Gründungsgesellschafters einer MVZ-Trägergesellschaft bei Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf einen im MVZ anzustellenden Arzt ist nicht erforderlich. Eine anteilige Übertragung von Gesellschaftsanteilen und damit eine Erweiterung des Gesellschafterkreises ist ebenso möglich.

Ärztlicher Leiter eines MVZ muss Sammelerklärung zur Abrechnung unterschreiben

Bundessozialgericht - B 6 KA 15/22 R

Die KV Nordrhein hat von einer MVZ-GmbH das vollständige Honorar für zwei Quartale zurückgefordert, weil die Sammelerklärungen zur Honorarabrechnung nur vom Geschäftsführer des MVZ, aber nicht vom ärztlichen Leiter, unterschrieben waren. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die Honorarrückforderung der KV rechtmäßig war. Das Unterschriftserfordernis im Honorarverteilungsmaßstab war von der Ermächtigungsgrundlage des § 87b Absatz 1 Satz 2 SGB V gedeckt und hat nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Es handelte sich auch nicht nur um ein Formerfordernis, da nur eine ordnungsgemäße Abrechnungs-Sammelerklärung den Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen entstehen lässt. Daher hatte das MVZ überhaupt keinen Anspruch auf das Honorar.

Eine BAG ist keine hinzuzuziehende fachärztliche Einrichtung in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung

Bundessozialgericht - B 3 KR 9/22 R

Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) können nicht als im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) hinzuzuziehende fachärztliche Einrichtung institutionell benannt werden. Berechtigt, Leistungen der ASV zu erbringen, sind an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und zugelassene Krankenhäuser, soweit sie näher bestimmte Anforderungen und Voraussetzungen erfüllen, § 116b Abs. 2 Satz 1 SGB V. Als Institution können daher nur solche Leistungserbringer benannt werden, die wie ein Medizinisches Versorgungszentrum selbst über eine vertragsarztrechtliche Zulassung verfügen. Anders als Medizinische Versorgungszentren verfügen Berufsausübungsgemeinschaften aber nicht selbst über einen eigenen vertragsarztrechtlichen Zulassungsstatus.

Steuern

Gewerblichkeit einer Arztpraxis durch Aufnahme einer neuen Gesellschafterin

Finanzgericht Münster - 1 K 1193/18 G, F

Nimmt eine ärztliche Gemeinschaftspraxis eine Ärztin als weitere Gesellschafterin auf, die an einem neuem Standort eine (Neben)Betriebsstätte betreibt und dabei Behandlungsverträge mit Patienten abschließt und die Patienten selbständig behandelt und trägt die neue Gesellschafterin weder Mitunternehmerinitiative noch Mitunternehmerrisiko, erzielt die Gemeinschaftspraxis gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt gewerbliche Einkünfte.

Gewerbliche Einkünfte einer (zahn-)ärztlichen Partnerschaftsgesellschaft bei überwiegender Management-Tätigkeit eines Arztes

Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 4 K 1270/19

Übt in einer zahnärztlichen Partnerschaftsgesellschaft ein Mitunternehmer, der approbierter Zahnarzt ist, ganz überwiegend nur noch Organisation-, Verwaltungs- und Management-Tätigkeiten aus und erbringt nur in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- oder Behandlungsleistungen unmittelbar an Patienten, so entspricht dies nicht mehr dem Leitbild der selbständig ausgeübten Tätigkeit als Zahnarzt und seine Tätigkeit ist als gewerblich anzusehen. Sie infiziert hierdurch die Einkünfte der gesamten Partnerschaftsgesellschaft als gewerblich.