In der Vergangenheit haben viele Krankenhausträger Ein-Personen-Gesellschaften mit Pflegedienstleistungen im Krankenhaus beauftragt. Die Gesellschaften wurden von Pflegefachkräften gegründet, die als alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer die pflegerischen Leistungen im Krankenhaus erbrachten. Es bestand die Hoffnung, dass durch eine solche Gestaltung ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Krankenhausträger und den Pflegefachkräften umgangen werden kann, weil das Dienstverhältnis zwischen dem Krankenhausträger und den Gesellschaften bestand, nicht aber zu den Pflegefachkräften selbst.
Dieser Auffassung hat das Bundessozialgericht (BSG) nun eine Absage erteilt.
Das Bundessozialgericht hat am 20.07.2023 entschieden, dass auch in solchen Fällen ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehen kann, in denen Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und einer Kapitalgesellschaft bestehen, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter die natürliche Person ist, die die Tätigkeiten für den Auftraggeber verrichtet.
Bundessozialgericht, Urteil vom 20.07.2023 - B 12 R 15/21 R
Sachverhalt
Der Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger sowie alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der beigeladenen GmbH. Deren Unternehmenszweck ist unter anderem die Erbringung aller Arten von Pflegedienstleistungen im ambulanten und stationären Bereich. Für bestimmte Tage in den Jahren 2015 und 2016 schloss die GmbH als "Auftragnehmer" mit einem Krankenhausträger als "Auftraggeber" mehrere Dienstleistungsverträge über die eigenverantwortliche Planung, Durchführung, Dokumentation und Überprüfung der stationären Krankenpflege auf der Intensivtherapiestation (Schwerpunkt Weaning = Beatmungsentwöhnung). Vereinbart war ein Stundenhonorar von 40 Euro. Der Auftragnehmer war nicht verpflichtet, die Dienste in Person zu leisten, sondern berechtigt, nach Absprache mit dem Auftraggeber Hilfspersonen mit vergleichbarer Qualifikation heranzuziehen. Die Vertragsparteien waren sich darüber einig, dass durch die jeweilige Vereinbarung zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte. Der Auftragnehmer sollte keinen Weisungen des Auftraggebers unterworfen sein. Ihm war für den Fall der persönlichen Verhinderung und seines Unvermögens, Dritte heranzuziehen, ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt.
Verfahrensgang
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beklagte) stellte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung bei dem Krankenhausträger fest.
Auf die Klage des Krankenpflegers hat das Sozialgericht die Verwaltungsentscheidung aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar spreche vieles dafür, die Tätigkeit des Klägers als Pfleger grundsätzlich als abhängige Beschäftigung einzuordnen. Soweit er nicht Vertragspartei der Krankenhausträgerin gewesen sei, könne er zu dieser aber nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden haben. Die maßgeblichen Dienstleistungsvereinbarungen seien mit der GmbH und nicht mit dem Kläger geschlossen worden. Auch im Sozialversicherungsrecht sei die jeweils eigenständige Rechtssubjektivität von natürlicher und juristischer Person zu beachten. Ein Scheingeschäft wegen Missbrauchs der Rechtsform liege nicht vor.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Revision erhoben.
Mit der Revision rügte die Beklagte die Verletzung von § 7 Absatz 1 SGB IV und §§ 133, 157 BGB. Krankenpflegefachkräfte unterlägen regelmäßig als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht. Eine Ein-Personen-GmbH, deren einziges Geschäftsfeld die Überlassung von Pflegedienstleistungen des Gesellschafter-Geschäftsführers sei, nutze die GmbH als juristische Person in rechtsmissbräuchlicher Weise zur Umgehung sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen. In der Zwischenschaltung der GmbH liege auch ein Scheingeschäft.
Das BSG hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Die schriftlichen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. In der Pressemitteilung des BSG wird ausgeführt:
Stellt sich die Tätigkeit einer natürlichen Person nach deren tatsächlichem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung dar, ist ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht deshalb ausgeschlossen, weil Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und einer Kapitalgesellschaft bestehen, deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter die natürliche Person ist.
Das LSG wird nun Feststellungen dazu treffen müssen, ob die von der GmbH vertraglich geschuldete Tätigkeit eine Eingliederung des Klägers in die Organisation des Krankenhauses erforderte und in dessen Interesse weisungsgebunden zu erbringen war. Wenn das der Fall gewesen sein sollte, ist zudem festzustellen, ob die GmbH über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und über (weitere) qualifizierte Arbeitskräfte zur Erfüllung der übernommenen Tätigkeit verfügte.
Praxishinweise
In Anbetracht der Konsequenzen, die sich aus der aktuellen Entscheidung des BSG ergeben können, sollten Krankenhausträger und deren Geschäftsführer dringend prüfen, ob in ihrem Haus vergleichbare Verträge bestehen und diese ggfs. beenden oder anpassen. Es ist davon auszugehen, dass dieses Thema in zukünftigen Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV aufgegriffen wird.
Weitere Informationen zur Sozialversicherungspflicht von Heilberufen in Krankenhaus, MVZ, BAG und Arztpraxis haben wir hier für Sie zusammengestellt.
Für Ihre Fragen zu diesem aktuellen Thema stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.