Mit seinem Urteil vom 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 266/20) hat das BAG entschieden, dass Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern nur dann verjähren, wenn sie vom Arbeitgeber im Jahr der Anspruchsentstehung darauf hingewiesen wurden, dass der Urlaub bei fehlender Inanspruchnahme verfällt. Ist dieser Hinweis unterblieben, können Arbeitnehmer auch noch Jahre später Urlaubsansprüche geltend machen. Ob arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen zu einem Anspruchsausschluss führen können, ist noch ungeklärt, im Hinblick auf die Rechtsprechungsentwicklung aber keineswegs sicher. Im Zweifel sind Urlaubsansprüche damit erst mit Ablauf der absoluten Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB nach 10 Jahren ab Anspruchsentstehung ausgeschlossen.
Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung des BAG war das Urteil des EuGH vom 06.11.2018 (Az.: C-684/16). In diesem Urteil hatte der EuGH entschieden, dass Urlaub nur verfallen könne, wenn der Arbeitnehmer „durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde“, den Urlaubsanspruch auch wahrzunehmen. Aufgrund dieser Entscheidung entwickelte das BAG in seinem Urteil vom 19.02.2019 (Az.: 9 AZR 423/16) eine entsprechende arbeitgeberseitige Aufklärungs- und Hinweispflicht. Der Arbeitgeber – so das BAG – muss den Arbeitnehmer auf den drohenden Verfall des Urlaubs hinweisen, ansonsten bleibe der Urlaubsanspruch bestehen.
Das BAG hatte in seiner Entscheidung vom 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 266/20) nun die Folgefrage zu klären, ob Urlaubsansprüche, auf deren Verfall von Seiten des Arbeitgebers nicht hingewiesen wurde, verjähren können. Eine Verjährbarkeit hätte in den meisten Fällen wohl zumindest zu einem faktischen Ausschluss dieser Ansprüche nach drei Jahren geführt. . Der EuGH hatte dazu in einem Urteil vom 22.09.2022 (Az.: C-120/21) bereits entschieden, dass ein Arbeitgeber, der seine Hinweispflichten verletze, nicht in den Genuss der Verjährung kommen solle. Dies gilt jedenfalls für die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Dementsprechend hat das BAG nun festgestellt, dass Urlaub, der aufgrund eines unterbliebenen arbeitgeberseitigen Hinweises nicht verfällt, auch nicht in der kenntnisabhängigen dreijährigen Verjährungsfrist verjährt. Dabei ist sogar unerheblich, ob der Hinweis zu einem Zeitpunkt hätte erfolgen müssen, zu dem die arbeitgeberseitige Hinweispflicht durch das BAG noch gar nicht entwickelt worden war.
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie auf die Erfüllung ihrer Aufklärungs- und Hinweispflicht hinsichtlich eines drohenden Urlaubsverfalls unbedingt achten sollten, um zukünftigen Streit über Urlaubsansprüche zu vermeiden. Nach der Rechtsprechung des BAG muss ein solcher Hinweis folgende Informationen enthalten:
die Information über den Umfang des bestehenden Urlaubs,
die Aufforderung, den Urlaub in Anspruch zu nehmen und
die Information über die maßgeblichen Fristen.
Die Information zu den Urlaubsansprüchen unterliegt keiner besonderen Form. Aus Beweisgründen ist ein schriftliches Hinweisschreiben an die einzelnen Arbeitnehmer aber dringend zu empfehlen. Wichtig ist zudem, die Information so rechtzeitig zu übermitteln, dass die Urlaubsgewährung noch im laufenden Jahr möglich ist.
Sollten Sie zur Ausgestaltung der Information Ihrer Arbeitnehmer Fragen haben oder mit Ansprüchen wegen Urlaubsansprüchen konfrontiert sein, beraten wir Sie gern.