Medizinrecht

Gesellschafterstreit in ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ

Die Lösung von Gesellschafterstreitigkeiten ist grundsätzlich anspruchsvoll. Umfangreiche Informationen zum Umgang mit Gesellschafterstreitigkeiten haben wir hier für Sie zusammengefasst.

Bei einem Gesellschafterstreit in einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder einem MVZ kommen wegen berufsrechtlicher und vertragsarztrechtlicher Vorschriften bestimmte Konfliktlösungsstrategien, die bei anderen Gesellschaften möglich wären, nicht in Frage. Diese Besonderheiten und wichtige zu bedenkende Punkte haben wir in diesem Artikel für Sie dargestellt. Sprechen Sie uns bei allen Fragen zu diesem Thema gern an.

Gesellschafterstreit im MVZ

Beachtung von gesellschaftsrechtlichen und vertragsärztlichen Vorgaben

Bei einem Gesellschafterstreit in einer MVZ-Trägergesellschaft sind die maßgeblichen Regelungen des jeweiligen Gesellschaftsrechts zu beachten. MVZ-Trägergesellschaften können nur in der Rechtsform einer Personengesellschaft (GbR oder PartG), der eingetragenen Genossenschaft, der GmbH oder in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform (AöR) gegründet werden, so dass es zunächst auf die spezifischen gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten ankommt.

Daneben sind vor allem die Vorschriften des ärztlichen Berufsrechts und des Vertragsarztrechts zu berücksichtigen. Diese führen zum Beispiel dazu, dass ein Gesellschafter einer MVZ-Trägergesellschaft nicht ohne Weiteres aus der Gesellschaft ausscheiden kann. Beim MVZ ist darauf zu achten, dass die Gründungsvoraussetzungen des § 95 Abs 1a Satz 1 bis 3 SGB V erhalten bleiben müssen. Bei einer zweigliedrigen MVZ-GbR würde das Ausscheiden eines Gesellschafters dazu führen, dass ohne den Beitritt eines neuen, gründungsberechtigten Gesellschafters die Gründungsvoraussetzungen entfallen, da eine natürliche Person allein kein zulässiger MVZ-Träger ist. Einem MVZ ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen.

In einer solchen Konstellation stellen sich Folgefragen, die mit der Beendigung eines MVZ verbunden sind, wie zum Beispiel:

  • Was wird aus erteilten Anstellungsgenehmigungen und bestehenden Anstellungsverhältnissen?

  • Was passiert mit erteilten Genehmigungen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 11 BMV-Ä?

  • Erlischt ggfs. eine bestehende Weiterbildungsermächtigung?

Berücksichtigung der individuellen MVZ-Struktur

Weiterhin ist zu berücksichtigen, ob es sich um ein MVZ in der sog. Angestellten-Variante, der Vertragsarzt-Variante oder einer Mischvariante handelt. Je nachdem, ob der Vertragsarzt die Zulassung hält oder diese ins MVZ eingebracht hat und nur als Angestellter tätig ist, kann ein Ausscheiden aus der Gesellschaft mit einem endgültigen Verlust der Zulassung einhergehen. Dies stellt ein existenzbedrohendes Risiko dar.

Freiwilliges Ausscheiden eines Gesellschafters

Auch dann, wenn die Zulassung beim Vertragsarzt selbst liegt, kann dieser nicht ohne Weiteres freiwillig aus der Gesellschaft ausscheiden und seine Berufstätigkeit an einem anderen Ort fortsetzen. Hierbei würde es sich um eine Sitzverlegung handeln, die nur mit Genehmigung der jeweiligen KV möglich ist und bei der bedarfsplanungsrechtliche Zulassungsbeschränkungen zu berücksichtigen sind. Der Zulassungsausschuss darf den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes nur genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen (§ 24 Abs. 7 Ärzte-ZV).

Neben der Frage, ob und in welcher Höhe der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung beanspruchen kann, wird oftmals auch um die Frage gestritten, ob der ausscheidende Gesellschafter "seine" Patienten mitnehmen kann.

In diesem Zusammenhang sind auch etwaige Wettbewerbsverbote zu überprüfen. Gerade bei Wettbewerbsklauseln sind viele Details umstritten und werden von Gerichten unterschiedlich beurteilt. Im Einzelnen geht es hierbei um Fragen, ob die inhaltliche, zeitliche oder räumliche Reichweite eines Wettbewerbsverbots wirksam ist oder ob eine vereinbarte Vertragsstrafe bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot angemessen ist.

Sonderfall: Ausschluss eines Mitgesellschafters

Wenn der Gesellschaftsvertrag der MVZ-Trägergesellschaft den Ausschluss eines Gesellschafters zulässt, kann hierdurch die vertragsärztliche Zulassung des betroffenen Gesellschafters gefährdet werden. Die Zulassung verpflichtet den Arzt, die vertragsärztliche Tätigkeit im Umfang seines Versorgungsauftrages auszuüben (§ 19a Ärzte-ZV). Wenn der Vertragsarzt infolge des Ausschlusses die erforderlichen Mindestsprechstunden nicht mehr erbringen kann, droht ein Entzug der Zulassung.

Auch hier stellen sich gleichermaßen komplizierte gesellschaftsrechtliche und vertragsärztliche Fragen.

Gesellschafterstreit in Berufsausübungsgemeinschaften

Beachtung von gesellschaftsrechtlichen und vertragsärztlichen Vorgaben

Ärztliche Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) bestehen meistens in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als Partnerschaftsgesellschaft (PartG). Nach den Heilberufe- und Kammergesetzen von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen können ärztliche Berufsausübungsgemeinschaften dort auch als Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB) gegründet werden. Mit der Ausnahme von Bayern ist auch der Betrieb einer Ärzte-GmbH nach den landesrechtlichen Heilberufe- und Kammergesetzen zulässig.

Wie auch bei MVZ-Trägergesellschaften, sind für die Lösung eines Gesellschafterstreits in einer BAG die maßgeblichen Regelungen des jeweiligen Gesellschaftsrechts zwingend zu berücksichtigen.

Anders als bei Medizinischen Versorgungszentren sind bei einer Berufsausübungsgemeinschaft immer die Gesellschafter selbst zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, so dass hier im Falle eines Gesellschafterstreits das Risiko eines Zulassungsverlustes wesentlich geringer ist. Dennoch stellen sich auch bei der Lösung eines Gesellschafterstreits in einer BAG diverse vertragsarztrechtliche Fragen. Zum Beispiel sind auch bei der Auflösung einer BAG bedarfsplanerische Aspekte zu bedenken: Die Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem anderen Ort als dem Praxissitz ist nur nach der Genehmigung durch die zuständige KV möglich. Darum ist die Auflösung einer BAG nicht ohne Weiteres möglich.

Weiterhin sind nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (B 6 KA 24/15) Anstellungsgenehmigungen der BAG selbst und nicht den einzelnen Vertragsärzten zu erteilen. Wenn ein Gesellschafterstreit zur Auflösung einer Berufsausübungsgemeinschaft führen würde, müssten daher bestehende Anstellungsgenehmigungen neu beantragt werden.

Es stellt sich auch die Frage, ob bestehende Vertragsverhältnisse mit angestellten MFA, Vermietern und externen Dienstleistern von einem Gesellschafter unkompliziert übernommen werden können oder ob die entsprechenden Verträge zwangsläufig zu kündigen sind.

Ein Gesellschafterstreit, der zur Liquidation einer BAG geführt hat, setzt sich meistens auch bei der Verteilung des Praxisinventars fort. Wenn mangels vertraglicher Regelungen keine eindeutige Zuordnung des Inventars möglich ist und die Gesellschafter keine einvernehmliche Lösung finden können, droht hier schlimmstenfalls ein Pfandverkauf.

Sonderfall: Gründung einer BAG zur Praxisnachfolge

Eine Besonderheit besteht bei ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften, die zum Zweck einer Praxisnachfolge gegründet wurden: Hier wird oftmals vom Praxisinhaber ein (hälftiger) Vertragsarztsitz auf den designierten Praxisnachfolger übertragen und eine Kennenlernphase vereinbart, innerhalb derer das Ausscheiden des Praxisnachfolgers dazu führen soll, dass der Praxisinhaber den ursprünglichen Vertragsarztsitz zurückerlangt. Der Praxisnachfolger ist dann meist gesellschaftsvertraglich dazu verpflichtet, die entsprechenden Erklärungen gegenüber der KV abzugeben, um dies zu ermöglichen. In diesen Konstellationen wird häufig über die Wirksamkeit der entsprechenden Klauseln und deren Rechtsfolgen gestritten.

Bei Gesellschafterstreitigkeiten in ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften stellen sich regelmäßig auch Fragen nach Abfindungsansprüchen, dem Recht einzelner Gesellschafter auf die "Mitnahme" von Patienten in eine neue Praxis und nach der Wirksamkeit von Wettbewerbsverboten.

Umgang mit einem Gesellschafterstreit

Idealerweise kann ein Gesellschafterstreit von Anfang an durch wirksame und klare gesellschaftsvertragliche Regelungen vermieden werden. Die Gestaltung eines passenden Gesellschaftsvertrages für eine MVZ-Trägergesellschaft oder eine Berufsausübungsgemeinschaft zahlt sich im Konfliktfall immer gegenüber einem langwierigen und belastenden Rechtsstreit aus. Wir warnen grundsätzlich davor, zur Kostenersparnis auf vorformulierte Standardverträge zurückzugreifen. Diese enthalten leider häufig unwirksame oder unklare Klauseln, die streitanfällig sind. Vertragsmuster können auch niemals der individuellen Situation der Gesellschafter gerecht werden, so dass hierdurch eine Möglichkeit zur präventiven Streitvermeidung ungenutzt bleibt.

Letztendlich kann sich auch schon bei der Gestaltung eines Gesellschaftsvertrages zeigen, wo aufgrund unterschiedlicher Persönlichkeiten und Vorstellungen der künftigen Gesellschafter Konfliktpotential besteht. Hierdurch können von Anfang an bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung einer späteren Auseinandersetzung getroffen werden.

Ein Gesellschafterstreit muss aber nicht immer gleich zur Auflösung der Gesellschaft oder zum Ausschluss bzw. Austritt eines Gesellschafters führen. Unter Umständen lassen sich durch eine Neustrukturierung von Verantwortlichkeiten und Befugnissen geeignete Lösungen finden. Wenn alle Beteiligten zustimmen, kann eventuell auch eine Lösung durch eine Mediation oder ein Schiedsverfahren herbeigeführt werden.

In letzter Konsequenz kann auch ein gerichtliches Urteil einen Gesellschafterstreit befrieden. In der Praxis ist dies aber nur selten der Fall und der zwischenzeitliche Schwebezustand wird während der Dauer eines Gerichtsverfahrens von den Parteien als sehr belastend wahrgenommen.

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