Medizinrecht

Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV)

Das Bayerische Landessozialgericht hat entschieden, dass Ärzte in einem SAPV-Team abhängig beschäftigt sind. Ein rein honorarärztliche Tätigkeit in einem SAPV-Team dürfte nach den Grundsätzen des Urteils unmöglich sein.

Bayerisches LSG, Urteil vom 29.07.2020 - L 6 R 5130/17

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH. Sie erbrachte Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) gemäß § 37b SGB V. Zwischen ihr und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bestand ein Vertrag nach §§ 132d, 37b SGB V.

Die für die Klägerin tätigen Ärzte wurden nicht als abhängige Beschäftigte geführt und rechneten ihre Leistungen über Honorarverträge ab. Die Honorarärzte stellten die notwendige 24-stündige Rufbereitschaft bei der Klägerin sicher. Ihre Tätigkeitszeiten richteten sich nach abgestimmten Dienstplänen. Die Ärzte erhielten ein festes Honorar pro Stunde, womit alle Kosten abgegolten sein sollten. Im Krankheitsfall oder bei Urlaub hatten die Ärzte keinen Anspruch auf Honorar. Sie waren im Übrigen dazu verpflichtet, die ihnen übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen, die organisatorischen, pflegerischen und ärztlichen Belange der Klägerin anzuerkennen, die kontinuierliche Handlungsfähigkeit der Klägerin sicherzustellen, medizinisch-pflegerische Maßnahmen während des Dienstes fachlich zu verantworten und an den wöchentlichen Teambesprechungen teilzunehmen. Außerdem war vereinbart, dass durch den Vertrag kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts begründet werde sollte.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beklagte) fest, dass die Ärzte im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin tätig seien und forderte rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 24.000,00 Euro nach.

Verfahrensgang

Gegen diese Feststellung erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht. Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Entscheidungsgründe

Das LSG hat festgestellt, dass die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung gegenüber denjenigen, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, überwiegen.

Für eine selbstständige Tätigkeit der Ärzte hätte gesprochen, dass diese gewisse Freiheiten bei der Tätigkeit für die Klägerin gehabt hätten, weil keine regelmäßigen festen Arbeitszeiten vereinbart waren. Zudem habe die Möglichkeit bestanden, Aufträge abzulehnen. Eine Lohnfortzahlung bei Urlaub oder Krankheit sei ausgeschlossen und in fachlicher Hinsicht wären die Honorarärzte grundsätzlich eigenverantwortlich und weisungsfrei tätig gewesen.

Für eine abhängige Beschäftigung habe jedoch gesprochen, dass die Honorarärzte bei den einzelnen Einsätzen in den Organisationsplan der Klägerin eingebunden gewesen seien und arbeitsteilig mit anderen Mitarbeitern zusammen gearbeitet und dabei nur Patienten der Klägerin behandelt hätten. Die Ärzte hätten somit in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin zur Erfüllung ihrer Aufgaben als zugelassener Leistungserbringer gedient und ihre Tätigkeit nicht für ein eigenes, sondern für ein fremdes Unternehmen ausgeübt.

Sie seien insoweit in den Betrieb der Klägerin eingebunden gewesen und hätten dem Weisungsrecht der Klägerin hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung bei Auftragsannahme unterlegen. Aus dem Umstand, dass die Ärzte bei den Tätigkeiten frei und eigenverantwortlich handelten, könne nicht auf eine Selbständigkeit geschlossen werden, da dies grundsätzlich bei ärztlicher Tätigkeit zuträfe. Eine Eingliederung der Ärzte in den Betrieb der Klägerin folge aus der Bindung der ärztlichen Tätigkeit an die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin aus dem Vertrag nach §§ 37b, 132d SGB V. Die Tätigkeit der Ärzte hätte sich notwendigerweise an diesen regulatorischen Vorgaben orientieren müssen, woraus sich die Weisungsgebundenheit ergebe.

Selbst unter Berücksichtigung der therapeutischen Freiheiten wären die Ärzte in das Versorgungskonzept der Klägerin eingebunden gewesen und hätten deren Weisungen unterlegen. Der organisatorische Rahmen im Verhältnis zum Patienten vom Erstkontakt über die arbeitsteilige Behandlung bis zur Abrechnung der erbrachten Leistungen sein in Hand der Klägerin gewesen und von dieser vorgegeben worden. Die Ärzte hätten bei den einzelnen Diensten keine ins Gewicht fallenden Freiheiten hinsichtlich Gestaltung und Umfang ihrer Arbeitsleistung gehabt und seien zur Erfüllung der Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber deren Patienten im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am therapeutischen Prozess eingesetzt gewesen.

Darüber hinaus hätten die Ärzte kein wesentliches unternehmerisches Risiko getragen. Sie seien nach festen Stundensätzen vergütet worden, ein Verlustrisiko habe nicht bestanden. Sie hätten auch keine Chance gehabt, durch unternehmerisches Geschick das Verhältnis von Aufwand und Ertrag entscheidend zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Hinweis

Das Bayerische LSG hatte zuvor mit Urteil vom 11.04.2019 - L 7 R 5050/17 entschieden, dass die Tätigkeit eines Honorararztes in einem Netzwerk von Palliativärzten als selbstständige Tätigkeit qualifiziert werden könne. Der Sachverhalt unterschied sich zwar von dem hier dargestellten Sachverhalt in einigen Punkten, aber nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 04.06.2019 dürfte auch dieser Fall inzwischen anders zu beurteilen sein.

Weitere Informationen zu Honorararztmodellen und zur Sozialversicherungspflicht bei Heilberufen finden Sie hier.