Bankrecht

EuGH-Urteil zu Verbraucherkrediten: Banken haften für fehlerhafte Zinsangaben

Verbraucher müssen bei fehlerhafter Angabe des effektiven Jahreszinses in einem Kreditvertrag keine Zinsen und Kosten zahlen. Sogar Rückzahlungsansprüche gegen Banken sind möglich.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 21.03.2024 entschieden, dass ein Verbraucherkreditvertrag als zins- und kostenfrei gilt, wenn die Angabe des effektiven Jahreszinses fehlerhaft war (Rechtssache C‑714/22). Verbraucher müssen bei fehlerhaften Angaben nur den reinen Kreditbetrag zurückzahlen. Außerdem können in einem solchen Fall sogar bereits gezahlte Zinsen und Gebühren zurückgefordert werden.

Nach dem EuGH müssen Verbraucher auch keine anteiligen Verfahrenskosten tragen, wenn sie wegen einer solchen fehlerhaften Angabe im Kreditvertrag gezahlte Zinsen und Gebühren zurückverlangen und der Klage nur teilweise stattgegeben wird, weil es in der Praxis übermäßig schwierig ist, die Höhe des zuviel gezahlten Betrages zu bestimmen.

In dem vom EuGH entschiedenen Fall ging es um einen Sachverhalt aus Bulgarien. Die Grundsätze der Entscheidung gelten aber auch für Sachverhalte aus Deutschland.

Sie möchten wissen, ob Ihr Verbraucherkreditvertrag fehlerhafte Angaben zum effektiven Zinssatz enthält und ob Sie gezahlte Zinsen zurückfordern können? Schreiben Sie uns eine kurze E-Mail, wir melden uns umgehend!

Der Fall

Ein Verbraucher hatte mit einer Bank einen Verbraucherkreditvertrag abgeschlossen. Der Kreditvertrag enthielt verschiedene Nebenleistungen, die der Verbraucher gegen zusätzliche Gebühren in Anspruch nehmen konnte. Dazu gehörten unter anderem:

  • Eine beschleunigte Kreditbearbeitung und schnellere Auszahlung des Kreditbetrags,

  • Die Änderung des ursprünglichen Tilgungsplans mit einer Stundung oder Reduzierung der Monatsraten.

Diese zusätzlichen Gebühren wurden jedoch nicht vollständig in die Berechnung des effektiven Jahreszinses aufgenommen, obwohl die Sonderleistungen in dem Tilgungsplan des Kredits enthalten waren und den insgesamt zu zahlenden Betrag erhöhten.

Der Verbraucher verklagte die Bank und verlangte die Feststellung, dass er der Bank einen Betrag von rund 3.800 € in Wirklichkeit gar nicht schulde, weil die Berechnung des Kreditzinses nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprach.

Das nationale Gericht in Bulgarien war sich unsicher, wie diese Fragen nach europäischem Recht zu bewerten sind, und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor. Das bulgarische Gericht wollte vom EuGH wissen,

  • ob Gebühren für Nebenleistungen, die zu einem Verbraucherkreditvertrag vereinbart wurden, wie die Gebühren für die Möglichkeit der Stundung und der Reduzierung von Raten, einen Teil des effektiven Jahreszinses für den Kredit darstellen,

  • ob die falsche Angabe des effektiven Jahreszinses in einem Verbraucherkreditvertrag als fehlende Angabe des effektiven Jahreszinses anzusehen ist,

  • ob es verhältnismäßig ist, wenn in einem solchen Fall nur der gewährte Kapitalbetrag zurückzuzahlen ist,

  • ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, wenn sie dem Verbraucher die Möglichkeit eröffnet, seine Zahlungen gestundet zu bekommen und neu zu staffeln, wofür er auch Gebühren zahlen soll, wenn er diese Möglichkeit nicht in Anspruch nimmt

und

  • ob der Effektivitätsgrundsatz es verbietet, einem Verbraucher einen Teil der Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn seiner Klage nur teilweise stattgegeben wird weil die Bezifferung der Forderung praktisch unmöglich oder übermäßig schwierig ist.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH stellte klar, dass eine falsche Angabe des effektiven Jahreszinses so behandelt werden muss, als hätte die Bank ihn gar nicht angegeben. In einem solchen Fall dürfen Banken keine Zinsen und zusätzlichen Kosten verlangen.

Laut dem EuGH müssen Banken sämtliche Gebühren und Zusatzkosten eines Kredits in den effektiven Jahreszins einrechnen, um Verbraucher vollständig über die tatsächlichen Kosten des Kredits zu informieren. Die Kosten für Nebenleistungen zu einem Verbraucherkreditvertrag fallen unter den „effektiven Jahreszins“, wenn sich der Erwerb dieser Leistungen als zwingend erweist, damit der betreffende Kredit gewährt wird, oder wenn diese eine Konstruktion zur Verschleierung der tatsächlichen Kosten des Kredits darstellen.

Auch wenn Verbraucher gewisse Vorteile aus den Zusatzleistungen ziehen, ändert das nichts daran, dass Banken gesetzlich verpflichtet sind, alle Kosten transparent im effektiven Jahreszins auszuweisen. Kreditgeber dürfen keine versteckten Gebühren in Verträgen einbauen, die den effektiven Jahreszins verfälschen.

Der EuGH entschied außerdem, dass Verbraucher keine anteiligen Prozesskosten zahlen müssen, wenn sie wegen fehlerhafter Zinsangaben gegen die Bank klagen und nur teilweise gewinnen.

Fazit

Die Entscheidung des EuGH stärkt den Verbraucherschutz erheblich. Kreditinstitute müssen ihre Kreditverträge transparent gestalten. Verletzen sie ihre Pflicht zur korrekten Angabe des effektiven Darlehenszinses, können Verbraucher gezahlte Zinsen und Kosten zurückfordern.

Haben Sie in Ihrem Vertrag zusätzliche Kosten oder Gebühren gefunden, die nicht im effektiven Jahreszins enthalten sind? Dann könnte Ihr Vertrag fehlerhaft sein. Wenn Ihr effektiver Jahreszins falsch berechnet wurde, müssen Sie keine Zinsen und Kosten mehr zahlen – und können unter Umständen bereits gezahlte Beträge zurückfordern.

Update: Mit Urteil vom 13. Februar 2025 hat der EuGH in der Rechtssache C-472/23 seine verbraucherfreundliche Rechtsprechung in einem weiteren Urteil zur fehlerhaften Angabe von effektiven Jahreszinsen bekräftigt. Weitere Einzelheiten erfahren Sie hier.

Lassen Sie prüfen, ob Ihr Kreditvertrag betroffen ist. Wir helfen Ihnen bei der Bewertung Ihrer Ansprüche. Schreiben Sie uns direkt hier eine E-Mail.